
Wie digital sind Arztpraxen in Deutschland?
Veröffentlicht am 28.11.2018
Wie digital sind deutsche Arzt- und Psychotherapeutenpraxen bereits? Und wo halten die Praxisbetreiber digitalisierte Angebote überhaupt für sinnvoll? Antworten darauf bietet das erstmals erstellte „PraxisBarometer Digitalisierung“ der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Es liefert einen ersten umfassenden Überblick über den Verbreitungsgrad digitaler Anwendungen.
Die wichtigsten Ergebnisse
Die medizinische Versorgung soll digitaler werden. Da sind sich viele Politiker und Patienten einig.
In mehr als der Hälfte der rund 172.000 Praxen (58 Prozent der Ärzte bzw. 56 Prozent der Psychotherapeuten) sind die Patientendokumentation, die Terminplanung und das Wartezeitenmanagement weitgehend digitalisiert.
Die meisten Arztpraxen verfügen über medizinische Geräte mit digitalen Schnittstellen, diese sind oft aber nicht oder nur teilweise mit dem Praxis-EDV-System verbunden.
Rund ein Fünftel der Hausärzte verwendet Telemedizin in der Patientenversorgung und setzt Geräte zur Ferndiagnostik ein. Etwa 60 Prozent nutzen digitale Anwendungen für die Arzneimitteltherapiesicherheit.
Digitale Kommunikation
Der digitale Datenaustausch von Praxen etwa mit anderen ambulanten Einrichtungen beschränkt sich oft darauf, Labordaten zu empfangen. Deutlich seltener empfangen und versenden sie Befunddaten, Bildmaterial zur Diagnostik oder Arztbriefe. Die Kommunikation mit Krankenhäusern erfolgt fast ausschließlich analog.
Auch die digitale Kommunikation – zumeist per E-Mail – mit Patienten ist noch die Ausnahme (13 Prozent). Digitale Services, wie Online-Terminvereinbarungen, Online-Rezeptbestellungen oder digitale Übermittlungen von Unterlagen aus der Patientendokumentation, werden von etwa 40 Prozent der Praxen angeboten.
Skepsis bei vielen Digitalisierungsangeboten
Bei vielen Digitalisierungsangeboten ist die befragte Ärzteschaft geteilter Meinung: einen hohen Nutzen erwarten knapp zwei Drittel vom elektronischen Medikationsplan, etwas über die Hälfte vom digitalen Notfalldatensatz, rund die Hälfte von digitalen Verordnungen, Überweisungen und Bescheinigungen und etwas weniger als die Hälfte von einer einrichtungsübergreifenden digitalen Patientenakte. Noch zurückhaltender bewerten die Praxen den Mehrwert von Online-Sprechstunden, Gesundheits-Apps zur Datensammlung sowie Online-Diagnosen/-Therapien. Immerhin rund 7 Prozent der Befragten wünschen sich eine Abkehr von der Digitalisierung oder der elektronischen Patientenakte.
Knapp jeweils 60 Prozent der Praxen erwarten Verbesserungen beim Praxismanagement, der Kommunikation mit Krankenhäusern und mit ärztlichen Kollegen infolge der Digitalisierung. Deutlich skeptischer sind die Erwartungen der Praxen zum Einfluss der Digitalisierung auf die Diagnosequalität, den Therapieerfolg und die Arzt-Patienten-Beziehung.
Die größten Hemmnisse
Fast drei Viertel der Befragten beklagen unzureichende IT-Sicherheit. Mehr als die Hälfte fühlt sich wegen Sicherheitslücken in den EDV-Systemen stark gehemmt. Zudem kritisieren die Ärzte und Therapeuten (43 Prozent) die Fehleranfälligkeit von EDV-Systemen.
Ein großes Hemmnis bei der digitalen Kommunikation sehen die Ärzte in den Anforderungen an die qualifizierte elektronische Signatur. KBV-Vorstandsmitglied Dr. Thomas Kriedel nennt ein Beispiel: „Das PraxisBarometer zeigt, dass nur wenige Ärzte digitalisierte Muster und Bescheinigungen nutzen. Ein Grund hierfür ist, dass die Krankenkassen bislang auf einer verpflichtenden qualifizierten elektronischen Signatur bestehen. Aus unserer Sicht ist eine solche Signatur jedoch nur in bestimmten Fällen zwingend erforderlich. Hier würden wir uns mehr Pragmatismus auf Seiten der Krankenkassen, aber grundsätzlich auch des Gesetzgebers wünschen.“
Fazit der KBV
Ärzte wünschen sich die weitere Digitalisierung dort, wo sie nützt – etwa beim Impfpass, Mutterpass oder bei Rezepten – und wenn Prozesse durch Digitalisierung weiter optimiert werden können. Laut KBV ist die zentrale Herausforderung der nächsten Jahre, die digitale Vernetzung der Akteure im Gesundheitswesen patientenorientiert, anwendergerecht, sicher und vollumfänglich umzusetzen. Dabei habe IT-Sicherheit besondere Aufmerksamkeit und bedürfe zusätzlicher finanzieller Mittel: Informationssicherheit könne nur durch ein Zusammenspiel von technischen Komponenten und organisatorischen Abläufen erreicht werden. Beides bedeute für die Arztpraxen den Einsatz von zeitlichen Ressourcen und finanziellen Mitteln, welche nicht einer einzelnen Behandlung zugeordnet werden können, sondern übergreifend erbracht werden. Diese Aufwände seien derzeit nicht hinreichend durch bestehende Vergütungsformen abgedeckt und Vertragsärzte und -psychotherapeuten müssten aus eigenen Mitteln dafür aufkommen. Aus KBV-Sicht sollten die Angebote der IT-Dienstleister verbessert und deren Interoperabilität ausgebaut werden. Unnötig aufwändige Prozesse wie z.B. die qualifizierte elektronische Signatur (QES) müssten kritisch hinterfragt werden.