eIDAS 2.0: alle Änderungen im Überblick
Veröffentlicht am 18.12.2023
Die Europäische Union startete 2014 unter einem sperrigen Titel in einen neuen Abschnitt ihrer digitalen Zukunft: Die „Verordnung über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt“ sollte Vertrauen in digitale Geschäfts- und Verwaltungsprozesse bringen. Dafür machte die eIDAS-VO – so die Kurzform – Vorgaben zur sicheren Identifizierung und Authentifizierung im Internet. Zudem definierte sie einen europaweit gültigen Rahmen für Vertrauensdienste, die analoge Verfahren wie die Unterschrift oder das Siegeln digitalisieren, um einen europäischen digitalen Vertrauensraum entstehen zu lassen.
Warum eIDAS 2.0?
Am Ziel der Verordnung hat sich bis heute nichts geändert. Jedoch haben sich sowohl die digitalen Gewohnheiten von Bürgern und Bürgerinnen als auch das Angebot von Online-Diensten stark gewandelt. Und auch die Umsetzung der eIDAS-Verordnung blieb teilweise hinter den Erwartungen zurück, wie die Europäische Kommission nach einer Evaluierung im Jahr 2020 feststellte. So hatten unter anderem zu wenige Mitgliedsstaaten eine eID eingeführt – einen elektronischen Identitätsnachweis, mit dem sich Bürger, Bürgerinnen und juristische Personen für Online-Dienste identifizieren können.
Ebenfalls monierte der Bericht, dass der eIDAS-Werkzeugkasten nicht ausreichend auf die Bedarfe spezieller Sektoren einging. Die Europäische Kommission sah sich deshalb im Jahr 2021 dazu veranlasst, mit eIDAS 2.0 eine Novellierung der Verordnung auf den Weg zu bringen – und in diesem Rahmen die Mitgliedsstaaten zu verpflichten, ihren Bürgern und Bürgerinnen Zugang zu einer europaweit anerkannten digitalen Identität im Rahmen einer digitalen Brieftasche („Wallet“) bereitzustellen. Das Vorhaben soll alltägliche Vorgänge in der EU deutlich erleichtern.
Ziele und Inhalte der eIDAS 2.0
Am 8. November 2023 einigten sich die Kommission, das EU-Parlament und der Rat der Europäischen Union im Trilog auf eine überarbeitete Verordnung. eIDAS 2.0 beziehungsweise das European Digital Identity Framework – so der offizielle Name der Verordnung – soll die Unzulänglichkeiten des „Originals“ beheben und zugleich den europäischen Vertrauensraum vertiefen, ohne die Souveränität der Mitgliedsstaaten zu untergraben.
Zentrales Vorhaben dabei:
- Alle Mitgliedsstaaten müssen ihren Bürgern und Bürgerinnen sowie juristischen Personen eID-Wallets bereitstellen und diese untereinander anerkennen.
- Mit der sogenannten European Digital Identity Wallet (EUDIW) sollen sich Bürger und Bürgerinnen zukünftig online für privatwirtschaftliche sowie Verwaltungsdienstleistungen authentifizieren können.
- Ebenfalls sollen andere digitale Berechtigungsnachweise, beispielsweise Führerscheine oder Ausbildungszeugnisse, in der Wallet gespeichert und bei Bedarf geteilt werden können.
Damit Wallets und digitale Identitäten europaweit eingesetzt und anerkannt werden können, macht die Novellierung Vorgaben zu Interoperabilität, Datenschutz und Sicherheit der Wallets sowie zur Verifizierung digitaler Attribute. Die konkreten Anforderungen an die Wallets werden von den europäischen Standardisierungs- und Normierungsgremien ausgearbeitet.
eIDAS 2.0: Lösungen im Werkzeugkasten
Neben neuen Vertrauensdiensten bringt eIDAS 2.0 auch neue Regelungen zur Nutzung bereits bestehender Vertrauensdienste. So sollen etwa Betreiber von Webbrowsern wie Chrome, Edge oder Firefox, künftig dazu verpflichtet werden, qualifizierte Zertifikate für die Website-Authentifizierung anzuerkennen. Diese auch QWACs genannten Zertifikate werden den Nutzenden dann nach den hohen Maßstäben der EU anzeigen, ob hinter der von ihnen aufgerufenen Website auch wirklich jenes Unternehmen steht, das im Browser angezeigt wird. So wird der Daten- und Verbraucherschutz gestärkt, indem etwa Phishing-Attacken verhindert werden.
Wie eIDAS 2.0 Sicherheit und Datenschutz gewährleistet
Die eIDAS 2.0 und die EUDI-Wallet als ihr Kernelement sind fest in der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sowie im Europäischen Rechtsakt zur Cybersicherheit (Cyber Security Act) verankert. Damit eine Wallet in einem Mitgliedsstaat als Identifizierungsmittel anerkannt ist, muss sie zwingend zertifiziert und nach dem höchsten Vertrauensniveau „hoch“ gemäß eIDAS notifiziert sein. Dass ausschließlich qualifizierte Vertrauensdiensteanbieter die für die Brieftaschen unverzichtbaren QEAAs bereitstellen können, ist ein weiterer Baustein in der Sicherheitsarchitektur rund um die EUDI.
Zum zentralen Bestandteil der Wallet auf dem Smartphone macht die eIDAS-2.0-Verordnung zudem die staatliche digitale Identität. In Deutschland ist das die eID, die Online-Ausweisfunktion, die Personenidentifizierungsdaten auf hohem Vertrauensniveau für die digitale Brieftasche bereitstellen wird. Wie das BMI in einem Diskussionspapier mitteilt, können diese Daten auch nicht abgeleitet werden. Sie werden wahlweise in der Chipkarte des Personalausweises, dem Secure Element auf dem Telefon oder dort auch in der fest verbauten eSIM-Karte verbleiben.
Bei der EUDI-Wallet sollen also wie bei der Smart-eID alle personenbezogenen Daten in einer sicheren Umgebung auf dem Smartphone liegen – und zwar nur dort. Das bedeutet auch, dass die Bürger und Bürgerinnen jede Datenübermittlung aus der Wallet ausdrücklich selbst freigeben. Zudem müssen sich die Relying Parties, die die Wallet zur Identifikation zulassen, für ein differenziertes Zugriffssystem registrieren. Im Fall eines Missbrauchs werden Nutzende sich direkt über die Wallet bei der Datenschutzaufsicht melden können.
Die Nutzung der EUDI-Wallet ist außerdem datensparsamer als die eines analogen Pendants. So würde beispielsweise bei einer Alterskontrolle mit der Wallet nur übermittelt, dass die relevante Person das gefragte Alter überschritten hat. Weiterführende Informationen wie das vollständige Geburtsdatum oder die Adresse, die heute beispielsweise beim Vorzeigen des Personalausweises sichtbar sind, würden nicht mitgeteilt werden.
Die eIDAS 2.0 und ihr Zeitplan
Bleibt die Frage, wann derartige Verfahren in Europas Behörden, Hotels oder Banken Realität werden. Die sogenannten Trilogverhandlungen zu eIDAS 2.0 zwischen der Europäischen Kommission, dem Rat der Europäischen Union sowie dem Europäischen Parlament sind abgeschlossen. Im nächsten Schritt steht noch die offizielle Annahme durch EU-Rat und Parlament an. Der federführende ITRE-Ausschuss hat bereits am 7. Dezember zugestimmt, das Plenum soll im Februar 2024 folgen. Dann wird die eIDAS 2.0 im Amtsblatt der EU veröffentlicht. 20 Tage danach tritt die Verordnung in Kraft – und gilt unmittelbar in allen Mitgliedsstaaten. Allerdings haben die Mitgliedsstaaten dann noch mehr als zwei Jahre Zeit, bis sie die digitale Brieftasche tatsächlich anbieten müssen.
Der aktuelle eIDAS-2.0-Zeitplan
Umsetzung der eIDAS-2.0-Verordnung
Die notwendigen Regelungen zur technischen Umsetzung der Verordnung muss die EU-Kommission innerhalb von sechs bis zwölf Monaten im Rahmen sogenannter Durchführungsrechtsakte (insgesamt sind es ca. 50) erlassen. Nach deren Veröffentlichung haben die Mitgliedsstaaten zwei Jahre Zeit, eine Wallet für ihre Bürger und Bürgerinnen anzubieten.
eIDAS 2.0: Zukunft der elektronischen Identifizierung in Europa
Mit der eIDAS 2.0 setzt die EU einen Meilenstein der sicheren, selbstbestimmten Identifizierung im digitalen Raum, von dem der gesamte europäische Binnenmarkt profitieren kann. Das Zusammenspiel von qualifizierter elektronischer Attestierung von Attributen (QEAA) und EUDI-Wallet wird nicht nur dafür sorgen, dass Nachweise jeder Art digital zur Verfügung stehen. Sie dürfte natürliche und juristische Personen auch von deutlich mehr digitalen Dienstleistungen profitieren lassen – in der öffentlichen Verwaltung, im Bildungs- und Bankwesen oder in der Reisewirtschaft.
Gerade in diesen Bereichen erfordert eine umfassende Identifizierung die Einreichung von Attributen und Nachweisen. Stünden sie in einer Wallet mit wenigen Klicks zur Verfügung, ließen sich viele Prozesse, die früher Zusatzaufwand vor Ort bedeuteten, komplett digital abwickeln. Damit einher ginge eine enorme Beschleunigung von Verwaltungs- und Geschäftsprozessen. Keine Frage: eIDAS 2.0 verspricht viele Vorteile. Umso wichtiger erscheint nun eine schnelle und umfassende Umsetzung.